Telefon-Expertin Claudia Fischer über erfolgreiche Businesstelefonate (Teil I)
Wissen + Karriere, November/Dezember 2010 Claudia Fischer ist Expertin für erfolgreiche Businesstelefonate, professionellen Vertrieb/Verkauf, begeisternden Service und erfolgreiche Akquisition am Telefon. Ihr Fokus liegt darauf, zusammen mit Unternehmen ein individuelles und passgenaues Telefontrainings-Konzept zu entwickeln und so den Erfolg am Telefon auszubauen. Bereits seit dem Jahr 1995 unterstützt sie namhafte Unternehmen, darunter zahlreiche Marktführer, mit Telefontraining und On-the-job-Trainings. Wissen+Karriere: Frau Fischer, seit 15 Jahren sind Sie Telefontrainerin. Wo ist für Sie der Hauptunterschied zwischen einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht und einem Telefongespräch? Claudia Fischer: Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Kommunikationsformen ist der offensichtliche. Im direkten Gespräch nutzen Sie fast all Ihre Sinne: Sie sehen die Mimik des anderen, hören seine Stimme, fühlen seinen Händedruck, riechen vielleicht sein Parfum oder Rasierwasser. All diese Informationen verdichten Sie bewusst und unbewusst zu einem Gesamtbild und nutzen dies, um ihn besser einschätzen zu können. Am Telefon hingegen nehmen Sie Ihren Gesprächspartner ausschließlich über Ihren Hörsinn wahr.
W+K: Dann ist also jeder, der telefoniert, von wichtigen Informationen abgeschnitten, die er sonst über seine anderen Sinne erhalten hätte? Fischer: Es ist richtig, dass sich Telefonierende auf einen einzigen Sinn verlassen, der zudem – gemessen am Informationsgehalt, der vom Gehirn aufgenommen wird – nach dem Sehen und Tasten lediglich der drittstärkste Sinn ist. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch keinesfalls, dass die am Telefon übermittelten Informationen unvollständig oder „falscher“ wären. Der Eindruck während eines Telefonats ist zu 87 Prozent durch das Gehörte geprägt (wie jemand spricht, wie die Stimme klingt, wie die Worte wirken) und nur zu 13 Prozent durch den rein sachlichen Inhalt. Gerade weil wir normalerweise stark auf visuelle Reize reagieren, lassen wir uns eher von einem schönen Lächeln blenden als von einer schönen Stimme. Diese Ablenkung entfällt am Telefon.
W+K: Es ist doch sicher auch am Telefon möglich, seine Wirkung auf den anderen direkt zu beeinflussen. Fischer: Ja, selbstverständlich. Bereits wenn ich meinen Gesprächspartner mit einer positiven und professionellen Begrüßung überrasche, wirke ich damit auf ihn. Bereits in den ersten Gesprächssekunden entscheidet sein Bauchgefühl, wie sympathisch er uns findet. Das ließe sich innerhalb eines Gespräches – ob am Telefon oder vis-a-vis – auch kaum ausschließen. Denn bei jedem Gespräch schwingen Wünsche, Erwartungen und auch die Stimmung des anderen mit, mal mehr, mal weniger offensichtlich. Darum ist es nach meiner Erfahrung immens wichtig, diese Signale wahrzunehmen, um alle Aspekte des anderen zu einem Gesamtbild zu verdichten und so möglichst genau die Empfindungen und Wünsche des anderen zu erfassen. Und gleichzeitig selbst positive Signale zu senden, um die Erfolgschancen des Telefonats zu maximieren.
W+K: Sie sagen, dass man bewusst die Empfindungen des anderen wahrnehmen und auch die eigene Ausstrahlung positiv beeinflussen kann. Wie genau funktioniert das? Fischer: „Man kann nicht nicht kommunizieren“, sagte bereits Paul Watzlawick, der u. a. Kommunikationswissenschaftler und Psychoanalytiker war. Sein Ansatz: Jedes Verhalten hat kommunikativen Charakter. Das bedeutet, dass eine Kommunikation immer stattfindet, sowie sich zwei Personen gegenseitig wahrnehmen. Im Alltag bedeutet das: Sehr häufig analysieren wir das Verhalten unserer Mitmenschen – wir versuchen, ihre Gedanken zu lesen. Was geht im Kopf des Kollegen vor, der uns weniger freundlich als üblich gegrüßt hat? Ist der Partner tatsächlich der Meinung, dass mir der neue Pullover gut steht? Unsere Interpretation stützen wir auf die Summe unserer Erinnerungen, logischen Fähigkeiten, Gefühle und Intuitionen. Ob in Gehaltsverhandlungen oder engen Beziehungen: Nur demjenigen, der die tatsächlichen Beweggründe und Motive des anderen kennt, gelingt es, angemessen zu reagieren. Das bestätigt auch Axel Wolf in „Menschenkenntnis: Die alltägliche Kunst des Gedankenlesens“ (PSYCHOLOGIE HEUTE, August 2010).
Die „Trefferquote“ in der Deutung des anderen Die Fähigkeit des Erspürens des anderen wird von Psychologen empathic accuracy – empathische Treffsicherheit – genannt und intensiv unter sucht. William Ickes ist einer von ihnen. In seinem Aufsatz „Support Provision in Marriage: The Role of Emotional Similarity and Empathic Accuracy“ definierte er 2008 den Begriff „empathicaccuracy“ als die Fähigkeit, exakt den spezifischen Inhalt der Gedanken und Gefühle einer anderen Person abzuleiten. Er schlüsselt auf, wie hoch die Genauigkeit bei der richtigen Deutung von Interaktionen mit anderen ist:
- zwischen Fremden: durchschnittlich 20 Prozent
- zwischen engen Freunden und verheirateten Paaren: durchschnittlich 35 Prozent
- Einen Wert von über 60 Prozent erreichen extrem wenige.
Es bleibt folglich viel Spielraum für Missverständnisse und Fehlinterpretationen.
Was Ickes für die direkte Kommunikation untersuchte, gilt – so meine Erfahrung – ebenso für Gespräche am Telefon. Die gute Nachricht: Jeder kann seine Fähigkeit, den anderen richtig zu deuten, durch Übung und bewusstes Beobachten deutlich verbessern. Hierzu gibt es einige Übungen, die sich im Alltag ganz einfach anwenden lassen.
Die Vorteile des Einfühlens in andere Meine Empfehlung ist ganz klar: Jeder sollte diese Chance nutzen, sich in seinen Gesprächspartner einzufühlen. Denn die Vorteile sprechen für sich:
- Weniger Missverständnisse durch das Wahrnehmen der Stimmung des anderen.
- Eine positive Gesprächsatmosphäre, weil Ihr Gesprächspartner sich verstanden und wahrgenommen fühlt.
- Sie können Ihre Ausstrahlung auf den anderen positiv beeinflussen und fördern auch dadurch eine offene, positive Gesprächsatmosphäre.