„Vielleicht haben Sie die Rechnung übersehen? Wir bitten Sie, die Außenstände innerhalb der nächsten 14 Tage zu begleichen …“ Kommen Ihnen solche Briefe oder E-Mails bekannt vor? Eigentlich keine große Sache – doch Papier ist geduldig. Und unangenehme E-Mails lassen sich auch prima ignorieren. Wenn ich in Unternehmen das Thema „Mahnwesen“ anspreche, blicke ich meist in betretene Gesichter. Denn viele Kunden reagieren nicht auf schriftliche Mahnungen. Was folgt, ist oft ein langwieriger Papierkrieg. Dabei gibt es ein sehr wirksames Mittel, um die Zahlungsbereitschaft zu erhöhen: der direkte Kontakt per Telefon.
Zugegebenermaßen gehören Kundengespräche wegen versäumter Zahlungen zu den herausfordernden und zumeist ungeliebten Telefonaten im Berufsalltag. Doch die Vorteile, weswegen Sie dennoch über Ihren Schatten springen und zum Hörer greifen sollten, liegen auf der Hand:
- Sie stellen sicher, dass Ihre Botschaft wirklich gehört wird
- Sie erreichen direkt den Entscheidungsträger (kein Versumpfen der Mahnung im Postkorb der Assistenz)
- Sie agieren auf der Beziehungs- und Werteebene
- Ihr Gesprächspartner kommt um eine Reaktion nicht herum
- Sie können interagieren – und sind deutlich schwerer zu ignorieren als eine schriftliche Zahlungsaufforderung
Erfolgreiche Kundenkommunikation in schwierigen Situationen
Gerade wenn es um ausstehende Zahlungen geht, ist die richtige Vorbereitung das A und O:
- Prüfen Sie, ob von Ihrer Seite aus wirklich alles korrekt gelaufen ist: Wann hat der Kunde die Rechnung erhalten? Wurde gegebenenfalls eine Retoure oder Reklamation übersehen? Gibt es Lieferrückstände oder eine Absprache über eine längere Zahlungsfrist? Wie sieht das Zahlungsverhalten des Kunden normalerweise aus? Ein gut gepflegtes CMS ist hier Ihr bester Freund!
- Legen Sie fest, was Sie mit dem Telefonat erreichen wollen: Bis wann soll der Kunde zahlen? Was sind mögliche Alternativen, können Sie sich eventuell einen Zahlungsplan mit Säumniszulagen etc. vorstellen und wie soll das Ganze aussehen?
- Wappnen Sie sich, indem Sie sich wirksame Entgegnungen für die klassischen Ausreden à la „Rechnung nicht erhalten“ parat legen.
Auch wenn die Situation unangenehm ist, eins sollten Sie dabei niemals vergessen: Sie sprechen immer noch mit Ihrem Kunden. Wenn Sie mit Fingerspitzengefühl an die Sache rangehen, statt direkt mit Inkasso und Gerichtsvollzieher zu drohen, lassen sich häufig gute Vereinbarungen treffen, die eine loyale Fortsetzung der Geschäftsbeziehung zulassen. Die entscheidende Herausforderung bei telefonischen Mahnungen besteht darin, wertschätzend aufzutreten, sich weder mit Halbversprechen oder Halbwahrheiten abspeisen zu lassen sowie möglichen Einwänden konsequent zu begegnen. In vielen Fällen können Sie davon ausgehen, dass die Kunden durch Ihr persönliches Nachfragen peinlich berührt sein werden und sich bemühen, der Zahlungsaufforderung so bald wie möglich nachzukommen. Fragen Sie also nicht einfach nach, warum er Ihre Rechnung nicht bezahlt, sondern wann er überwiesen hat. Falls noch keine Zahlung erfolgt ist, sollten Sie mit Fristsetzung nach einem konkreten Termin fragen. Bieten Sie Ihrem Kunden gegebenenfalls auch Alternativen wie Ratenzahlung oder Skonto an. Sehr hilfreich kann es zudem sein, wenn Sie Ihrem Gegenüber die „Arbeit“ abnehmen und ihm anbieten, den Betrag per Lastschrift von seinem Konto abbuchen zu lassen.
Mit der richtigen Gesprächsführung zur Zahlung bewegen
Für die „harten Fälle“ jetzt noch ein paar Tipps:
- Die Verzögerungstaktik: Der Kunde hat die Rechnung angeblich nicht bekommen, die Überweisung ist schon unterwegs oder das Geld wurde versehentlich aufs falsche Konto überwiesen. Wahlweise ist auch der Chef nicht da oder die Rechnung wurde selbstverständlich schon lange bezahlt – die Liste der klassischen Verzögerungstricks ist lang. Hier ist Ihre Reaktion gefragt: Faxen oder mailen Sie die Rechnungskopie, belegen Sie den Versand der Rechnung oder lassen Sie sich den Kontoauszug schicken, wenn die Buchung angeblich schon erfolgt ist.
- Die Mitleidstour: „Sie wissen ja, die wirtschaftliche Lage macht uns momentan allen sehr zu schaffen …“ „Wir zahlen so bald wie möglich – leider sind die Umsätze gerade nicht so rosig und wir haben noch diverse Außenstände …“ Vielen Mitarbeitern fällt es schwer, Forderungen durchzusetzen, wenn der Kunde derart auf die Tränendrüse drückt. Die richtige Taktik lautet hier: Zuhören, Verständnis zeigen – und dann einhaken. Zum Beispiel so: „Uns geht es genauso. Das ist jedoch kein Grund, die Rechnung seit <<Datum oder Anzahl der Wochen>> nicht zu zahlen. Wann kann ich verbindlich mit Ihrem Geldeingang rechnen?“
- Direkter Angriff: „Ihr Zahlungsziel ist auch viel zu kurz, und dann noch die Preise … wer soll sich das eigentlich leisten können?“ „Solange unsere Reklamation nicht bearbeitet wird, zahlen wir keinen Cent!“ Startet Ihr Gesprächspartner einen direkten Angriff, ist es entscheidend, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Und auch wenn es schwerfällt – fühlen Sie sich nicht persönlich angegriffen, sondern holen Sie den säumigen Kunden wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Etwa, indem Sie ihn darauf hinweisen, dass Preise und Konditionen bei Beauftragung bekannt waren. Oder mit ihm klären, was genau und in welcher Form reklamiert wurde sowie wann die Reklamation fertig bearbeitet wurde – und darauf hinweisen, dass der Restbetrag sofort zu überweisen ist.
Erst, wenn Sie damit nicht weiterkommen, ist es an der Zeit, höflich die Konsequenzen aufzuzeigen. Auch hier gilt: Respekt und Höflichkeit sind entscheidend! Etwa so: „Es tut mir leid, aber wenn wir jetzt keine Lösung finden, bin ich leider gezwungen Ihnen im weiteren Verlauf Mahnkosten und Verzugszinsen zusätzlich in Rechnung zu stellen. Diese unnötigen Kosten wollen Sie doch sicher vermeiden, oder?“ Den Weg zum Inkassounternehmen oder Rechtsanwalt schlage ich nach drei schriftlichen und mündlichen Mahnstufen erst ein, wenn wirklich nichts mehr geht.
Foto: Fotolia #115236973 – Frau hat letzte Mahnung erhalten und ist schockiert – © Dan Race