„The phone is already dead“ – so lautete bereits im Mai vergangenen Jahres die Schlussfolgerung von Microsoft-Visionär Alex Kipman, der zugleich auch federführend im Projekt „HoloLens“ ist. Kennen Sie nicht? Dabei handelt es sich um eine hochauflösende, stereoskopische Mixed-Reality-Brille. Ok, jetzt nochmal auf Deutsch: Eine Brille, die uns die Möglichkeit gibt, die Realität um uns herum mit dreidimensionalen Projektionen anzureichern. Das können grafische Darstellungen sein, 3D-Objekte, Bedienelemente, Text etc., eine Verbindung zu einem PC oder Smartphone ist nicht nötig. Steuerbar ist die HoloLens per Gesten, Sprachbefehl, durch Kopfbewegungen oder an der Brille angebrachte Bedienelemente. Und telefonieren kann man mit dem guten Stück selbstverständlich auch noch. Alles Zukunftsmusik? Von wegen. Technologien dieser Art sind längst dabei, unser Leben unwiderruflich zu verändern. Denken Sie mal an die Einsatzmöglichkeiten einer solchen Brille im Kundensupport – die Zeiten von umständlichen Erklärungen und langatmigen Telefonaten über die Servicehotline gehören dann der Vergangenheit an. Weil der Kundenbetreuer in der Lage ist, seinen Kunden bei der Reparatur oder Wartung aus der Ferne anzuleiten. Mit Skype und HoloLens sind bereits Mixed-Reality-Videokonferenzen möglich: Sie sehen dann zum Beispiel auf Ihrem Bildschirm genau das, was der Träger der Brille sieht. Und Sie können Anweisungen, ob als Text oder Bild, direkt in das Blickfeld Ihres Kunden übertragen – der praktischerweise beide Hände frei hat und sofort zur Tat schreiten kann. Vorbei die Zeiten, in denen man minutenlang darauf warten musste, dass das Gegenüber an den Hörer zurückkehrt – ohne genau zu wissen, ob die Anweisungen nun richtig befolgt wurden oder nicht.
„Das Telefon ist tot – es lebe das Telefonieren!“
Auch wenn die flächendeckende Verbreitung von Tools wie HoloLens noch einige Jahre dauern wird, so gibt es doch diverse technische Helferlein, die sich bereits in unser Leben eingeschlichen und heimlich, still und leise unser klassischen Telefonverhalten revolutioniert haben. Telefonieren mit dem Festnetztelefon ist quasi out. Zumindest im Privatleben, in der Geschäftswelt werden sich die klassischen stationären Apparate trotz VoIP (Voice over IP) und der Möglichkeit schnurloser Computer-Headsets sicherlich noch eine Weile halten. Wussten Sie, dass in den USA bereits 50,8 der Privathaushalte zur Kategorie „mobile only“ gehören? Damit besitzt die knappe Mehrheit keinen Festnetzanschluss mehr. Festgestellt wurde dies im Rahmen einer Studie des amerikanischen „Center for Disease Control and Prevention“[1]. Als entscheidender Faktor wird vor allem die Bequemlichkeit genannt. Sicherlich haben Sie sich selbst auch schon dabei ertappt, dass Sie direkt die Mobilnummer eines Kontakts gewählt haben, anstatt es auf seiner Büronummer zu versuchen, oder? Kein Wunder, denn wir wollen schließlich mit einer Person sprechen – und nicht mit der Örtlichkeit, wo er oder sie sich vermutlich aufhält.
Erfolgreich telefonieren mit ungewöhnlichen Tools
Doch auch der Griff zum Smartphone wird schon bald zur Vergangenheit gehören – zumindest macht es den Anschein, wenn man sich mal genauer umschaut. Kleine Übung: Achten Sie mal darauf, wie die Menschen in Ihrer Umgebung telefonieren. Sei es in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit, während der Mittagspause im Park oder am Wochenende in der Stadt. Sicher werden Sie schnell merken: Die Zahl derer, die dazu wirklich das Gerät aus der Tasche ziehen und ans Ohr halten, ist verwindend gering. Die junge Generation zückt das Smartphone zwar noch – hält es aber bloß horizontal vor sich und kommuniziert in Einweg-Sprachnachrichten. Bei den Business-Usern hingegen hat man inzwischen Schwierigkeiten, munter telefonierende Menschen vom obligatorischen Quotenirren zu unterscheiden – scheinbar Selbstgespräche führend und sogar wild gestikulierend wird da gequatscht. Beim Beobachter macht sich ein Gefühl von Unwohlsein breit – bis uns ein kleines Headset ins Auge fällt. Oder aber die Apple AirPods. Bei ihrer Vorstellung wurden sie noch verspottet und belächelt, mittlerweile sind die weißen AirPods häufiger zu erkennen. Sie sehen zwar ein bisschen aus wie die Aufsätze für eine elektrische Zahnbürste, sind jedoch clevere Kommunikationsmittel. Mittels Doppeltipp können eingehende Anrufe angenommen werden – und auch eine Verbindung zum Sprachassistenten Siri lässt sich aufbauen und so ein Telefongespräch beginnen, ohne, dass das Handy überhaupt aus der Tasche gezogen werden braucht. Kopfhörer und Freisprecheinrichtung in einem, ausgeblendete Hintergrundgeräusche und glasklarer Klang – für alle Apple Fans heißt das: „Welcome to the future!“ Bluethooth-Business-Headsets, die durchaus schon länger am Markt sind, wie das Jabra Motion Office, erfüllen (abgesehen von Siri) die gleichen Funktionen und können zusätzlich parallel mit dem Festnetztelefon gekoppelt werden – sehr praktisch! Eher gewöhnungsbedürftig finde ich hingegen den Einsatz von Smartwatches, wenn es ums Telefonieren geht. Die Klangqualität ist zwar erstaunlich gut – allerdings sehe ich bisher so gut wie niemanden, der in der U-Bahn munter mit seiner Uhr plaudert. Vielleicht, weil die Prägung durch Night Rider noch nachwirkt. 😉
Ein wirklich ungewöhnliches Kommunikationstool hat unlängst das US-Unternehmen Sonitus Technologies[2] entwickelt: Das sogenannte „Molar Mic“, ein winzig kleines Gerät, das Mikrofon und Lautsprecher in sich vereint – und am Backenzahn befestigt wird. Da der empfangene Schall über die Knochen direkt ins Innenohr geleitet wird, soll so eine klare und gut verständliche Kommunikation in lauten Umgebungen möglich sein. Ich weiß nicht, wie Ihnen dieser Gedanke gefällt – für mich klingt es ein bisschen wie etwas aus dem Inventar von James Bond’s Q und ich finde es auch ein wenig gruselig. Doch für Militär, Sicherheits- oder Rettungskräfte könnte die Kommunikation mit diesem Tool auf ein neues Level gebracht werden.
Telefonieren bleibt Kommunikationsmethode Nummer Eins
Auf dem Markt und in den Technologie-Laboren der Welt tut sich einiges, soviel steht fest. Für mich haben diese diversen Gadgets jedoch alle eines gemeinsam: Egal, als wie revolutionär sie beschrien werden – schlussendlich sind sie alle kein Ersatz, sondern vielmehr eine Weiterentwicklung der klassischen Telefonie. Sie verändern die Art und Weise, wie wir telefonieren und sorgen dafür, dass wir noch flexibler in fast jeder denkbaren Situation Gespräche führen können. Doch im Kern geht es immer noch um das gleiche: Kommunikation zwischen zwei Individuen, so wie sie vor 142 Jahren das erste Mal zwischen Alexander Graham Bell und seinem Assistenten Watson stattfand.
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