Derzeit arbeiten viele von uns im Homeoffice. Da kann man nicht mal eben beim Kollegen ins Büro schneien und Kleinigkeiten absprechen. Informelle Gesprächsgelegenheiten wie die Teeküche, der Flur oder die Kantine entfallen. Da hat das gute Telefon Hochkonjunktur, weil es eine adäquate Alternative für effektive Kommunikation im Dialog ist. Und dennoch gibt es sie noch immer: Menschen, die offenbar das Telefon scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Woran liegt das?
Vieles liegt an Gewohnheiten, so sprechen einige ältere Menschen schwierige oder persönliche Dinge am liebsten direkt von Angesicht zu Angesicht an – sie sind mit dem Flurfunk (siehe oben) sozialisiert worden. Und es stimmt ja auch: Mimik und Gestik und die gesamte Ausstrahlung des Gegenübers verraten viel über dessen Stimmung und Absichten. Der visuelle Eindruck fehlt am Telefon natürlich. Allerdings haben am Telefon die Ohren Augen: Stimme und Sprechweise sagen auch sehr viel über den Sprecher aus. Spricht er schnell und leise, ist er möglicherweise unsicher oder fühlt sich unwohl. Wer klar und verständlich artikuliert, Wichtiges besonders betont oder wiederholt, kommt souverän, sicher und sympathisch rüber. An der Wortwahl können Sie übrigens erkennen, um was für einen Wahrnehmungstypen es sich beim anderen handelt, und sich mit etwas Übung auf ihn einstellen: Der visuelle Typ spricht auch gern in Bildern. Er sagt etwa Sätze wie „Das sollten wir ins Auge fassen“ oder beginnt mit „damit Sie sich ein Bild machen können …“. Antworten Sie auf derselben Sprachebene, entsteht schnell eine vertrauensvolle Beziehung, da der Gesprächspartner Sie auf seiner Wellenlänge wähnt. Gleich und Gleich gesellt sich bekanntlich gern. Beim auditiven Typen geht es entsprechend um Töne in der Sprache. Er „hört das Gras wachsen“, für ihn „klingt etwas an“ oder es „klingt gut oder schlecht“. Auch im Businesstelefonat darf es heutzutage längst weniger steif bis informell zugehen. Wenn Sie einander gut kennen, können Sie durchaus umgangssprachliche Einwürfe machen oder ein wenig Dialekt reden. Bei unbekannten Gesprächspartnern bleiben Sie tendenziell etwas formeller und achten auf Höflichkeiten. Wollen Sie sich gut auf den anderen einstellen, ist dieser die Messlatte. Spricht er langsamer als Sie, passen Sie sich an, so entsteht schneller ein gemeinsamer Nenner, der wiederum die Beziehungsebene zwischen Ihnen beiden fördert.
Und dann sind da die jungen Kollegen der Generationen Y und Z, die sogenannten Digital Natives, die mit dem Smartphone aufgewachsen sind und dieses Gerät geradezu als Körperteil empfinden. Selbst wenn sie schlafen, liegt es bei einigen eingeschaltet am Bett oder sogar unter dem Kopfkissen. Sie telefonieren damit allerdings äußerst ungern. Direkte mündliche Kommunikation scheinen sie gar nicht mehr gewöhnt zu sein. Stattdessen chatten sie oder senden Messenger-Nachrichten. Klingelt ihr Smartphone, wimmeln sie das Gespräch schon mal ab. In Telefonaten sind sie oft unsicher. Ein Dialog ist anspruchsvoller als Monologe via Chats und genau das ist die Hemmschwelle. Was, wenn man auf eine Frage keine Antwort parat hat, ein Einwand kommt und die Schlagfertigkeit, diesen zu kontern, fehlt? Die sprachliche Intelligenz scheint erhebliche Defizite aufzuweisen. Jungen Menschen fällt der „Tanz der Gesprächsführung“ inklusive sprachlicher Feinheiten schwer, ebenso wie sich mündlich im Gespräch am Telefon auf andere einzustellen. Als Vermeidungsstrategie auf die rein schriftliche Kommunikation auszuweichen, hat allerdings seine Tücken! Schnell ist ein falscher Ton gesetzt oder ein Missverständnis entstanden, das sich am Telefon in kürzester Zeit ausräumen ließe. In Mails, Chats oder auf Messengerdiensten versteht man sich schon rasch mal falsch (auch angesichts der Kürze und somit Verkürzung der Nachrichten), interpretiert etwas hinein und die Kommunikation wird dann immer schwieriger.
Was hilft, ist Telefonieren und Üben, dann schwinden Hemmungen, Unsicherheiten nehmen ab. Gerade wenn Sie weniger gern telefonieren, vermeiden Sie es, wichtige Gespräche in zu legerer Kleidung wie Jogginghose und Schlappen zu führen. Besser ist, Sie unterstützen Ihre Ausstrahlung durch ein gepflegtes Äußeres und ordentliche Kleidung, sodass Sie sich gern im Spiegel anschauen. Apropos Spiegel: Einigen hilft es, eine Weile einen Spiegel auf den Schreibtisch zu stellen, um zu prüfen, wie ihre Ausstrahlung wirkt. Ein Lächeln oder Schmunzeln hilft zwar nicht immer, aber oft. Denn auch das hört das Gegenüber am anderen Ende der Leitung. Je sicherer Sie sich in einer Situation und in Ihrer Haut bei Telefonaten fühlen, desto unwichtiger werden solche Äußerlichkeiten, die anfangs Halt geben können. Kleider machen eben Leute. Ich erinnere mich gut: Am Anfang meiner selbstständigen Trainerlaufbahn 1995 habe ich bewusst auf (m)ein adäquates Businessoutfit geachtet, wenn ich im Homeoffice gearbeitet habe. Mittlerweile mache ich selbst wichtige Abschlüsse im Bikini, wenn mir danach ist. 😉
Foto: AdobeStock #321233457 Summer portrait of a happy young woman in a bikini on a beach, talking on smart phone @bnenin plus Illustration © Claudia Fischer von Sead Mujic