„Die Digitalisierung wird uns Millionen von Arbeitsplätzen kosten!“ Zugegeben, wir werden uns auf Veränderungen einstellen müssen. Laut einer Studie von Oracle werden Chatbots in bestimmten Branchen und Berufsfeldern bis 2020 ein Großteil des Kundendienstes übernehmen. Das ist bereits in zwei Jahren! Irgendwie eine etwas gruselige Vorstellung, finden Sie nicht? Was wir dabei nicht vergessen dürfen: Kommunikationsroboter beziehungsweise Chatbots sind keine Maschinen aus Metall, die dann am Ende der Leitung zum Hörer greifen und an der PC-Tastatur sitzen. Es handelt sich dabei schlicht und ergreifend um eine Software oder einen Dienst aus der Cloud. Sie hatten sicherlich auch schon mit Chatbots zu tun, ohne dass Sie es bemerkt haben – etwa, wenn Sie in einem Online-Shop oder Support-Forum eine Frage gestellt haben oder beispielsweise Ihren Stromzählerstandnach einer Interactive Voice Weiterleitung per Telefon mitgeteilt haben. Die Zeiten, in denen ein Mensch aus Fleisch und Blut alles händisch erfasst bzw. Antworten tippt, sind wohl vorbei!
Auch wenn die Kommunikation mit einer Software erst einmal befremdlich anmutet, nimmt die Akzeptanz weiter zu: Eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom , dass sich inzwischen jeder vierte Bundesbürger die Nutzung von Chatbots vorstellen kann. Die Vorteile liegen natürlich auf der Hand, denn die Kundenbetreuung kann so noch individueller werden. Schon jetzt gibt es kaum noch klassische Geschäftszeiten im Internet: Der Kunde kann seine Fragen im Chat jederzeit loswerden, der Buchung einer Reise mitten in der Nacht oder einer Reklamation am Sonntagmittag steht nichts im Wege. Was viele Menschen noch nicht wissen: Chatbots sind längst mehr als bloß ein interaktiver Ersatz der FAQs. Sie können inzwischen für viele Kommunikations- und Organisationsaufgaben genutzt werden und dank Machine Learning werden die Antworten der Tools immer besser. Kein Wunder also, dass bereits 58 Prozent der Umfragen-Teilnehmer sich vorstellen können, Chatbots regelmäßig für Recherchen beim Online-Shopping, zum Beispiel bei der Suche nach bestimmten Produkten, oder für die Buchung von Reisen, Flügen, Zugfahrten oder Hotels zu nutzen. Zudem finden vier und zehn Befragten die digitalen Helfer auch attraktiv, um Nachfragen zu Bestellungen oder Beschwerden loszuwerden.
Kommunikation 4.0: Empathische Chatbots und ständige Erreichbarkeit
Schnelligkeit siegt: Gerade in der heutigen Zeit ist es entscheidend geworden, dem Kunden so schnell wie möglich Hilfestellung zu bieten und Präsenz zu zeigen. Chatbots sind dafür eine tolle Lösung. Hier greift auch ein psychologischer Faktor: Der Chat mit einem Bot ähnelt dem Gespräch mit einem realen Menschen sehr – und erzeugt so beim Kunden das Gefühl, verstanden zu werden. Selbst wenn die Interaktionsmöglichkeiten bisher noch eher oberflächlich sind, sorgen sie bereits nachweisbar für höhere Conversion- und Aktivierungsraten.
Allerdings gibt es aus meiner Sicht auch Bereiche, in denen wir nach wie vor echte, menschliche Kundenberater brauchen. Nämlich überall dort, wo es um die Behandlung von speziellen Herausforderungen und Einzelfragen geht. Natürlich kann ein Chatbot seinen „Kollegen“ einiges an repetitiver Arbeit abnehmen. Er kann beispielsweise Informationen über Website-Besucher sammeln, Gespräche automatisch zuweisen, die Kunden nach ihrer E-Mail-Adresse oder ihrer Telefonnummer fragen und die Leads direkt in einem CRM-System anlegen, so dass der zugewiesene Kundenberater direkt Zugriff auf die Daten hat. Doch sobald es um echte Transferleistungen und Kaufentscheidungen mittels „Bauchgefühl“ geht, haben wir Menschen aus Fleisch und Blut die Nase vorn. Zumindest aktuell noch.
Und wie sieht es mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz am Telefon aus?
Kundenorientierung im Fokus: Effizientere Betreuung und kürzere Warteschleifen dank Sprachbots
„Wenn Sie eine Frage zu Ihrem Vertrag haben, drücken Sie bitte die Zwei …“ Sicher kommt Ihnen das bekannt vor, oder? Viele Unternehmen setzen nach wie vor auf die Neandertaler unter den Sprachbots. Zugegeben – sonderlich sympathisch und benutzerfreundlich sind die stupiden Telefonansagen nicht. Spätestens, wenn man sich zum fünften Mal für eine Option entscheiden muss und dann aus der Leitung geworfen wird, ist die Geduld am Ende. Die Folge? Wenn es doch funktioniert und nach nervtötenden Minuten sich am anderen Ende ein Mitarbeiter meldet, muss dieser erst mal den Frust des Anrufers aushalten.
Die gute Nachricht: Mittlerweile hat sich auf dem Gebiet künstliche Intelligenz einiges getan. Sprachbots der neusten Generation haben sich über mehrere Evolutionsstufen weiterentwickelt und ermöglichen inzwischen einen nahezu natürlichen, zielführenden Austausch. Natürlich sind diese Bots ebenso wie ihre chattenden Kollegen noch nicht in der Lage, Kunden individuell zu beraten – doch sie ermöglichen bereits ein effizientes Dialogmanagement. Komplexe Schnittstellen zum Backend ermöglichen es dem Tool, den Anrufer beispielsweise zu identifizieren, den Status einer Bestellung zu ermitteln oder sein Anliegen festzustellen und ihn an einen Mitarbeiter weiterzuleiten. Gerade bei solchen häufig genutzten Prozessen mit hohem Standardisierungsgrad sparen Sprachbots Unternehmen bares Geld und wertvolle Arbeitszeit! Kleines Rechenbeispiel ? Computerwoche.de hat ermittelt, dass bei 5.000 Telefonanrufen am Tag und 45 Sekunden Gesprächsanteil für Identifikation und Legitimation im Mensch-Mensch-Gespräch sowie einer Erfolgsquote von 80 % einer automatischen Identifikation und Legitimation, ein Sprachbot seinen menschlichen Kollegen 5.000 x 0,8 x 45 Sekunden = 180.000 Sekunden = 50 Stunden Gesprächszeit pro Tag abnimmt! Zeit, die die Mitarbeiter auf die Abwicklung komplexerer Aufgaben verwendet können. Und ein weiterer positiver Nebeneffekt: Die Warteschleifen schrumpfen, weil viele Standardanliegen wie Adressänderungen, Lieferstatus etc. direkt durch die Bots geklärt werden können.
Bei allem Lob sollten wir aber eins nicht vergessen: Die Chat- und Sprachbots sind und bleiben Programme. Die Algorithmen und die Technik dahinter entwickeln sich zwar rasant und die Tools lernen selbstständig aus ihren Fehlern – doch das kann auch schiefgehen, wie etwa „Tay“ von Microsoft uns bewiesen hat. Der selbstlernende Chatbot war bei Twitter aktiv, musste aber nach kurzer Zeit wieder vom Netz genommen werden, da er in der Kommunikation mit anderen Nutzern vor allem rassistische Stereotypen gelernt und begonnen hatte, diese weiter zu verbreiten. Wir dürfen also gespannt sein, welchen Weg die weitere Entwicklung einschlägt und was das für unsere tägliche Arbeit und vor allem Kommunikation bedeutet.
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